von Tjorven Birkenbeul, Katharina Geier, Margarita Kirschmann & Martin Jann
ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
Tab. 2: Plan zur Entsorgung nach Wochen und Abfallsorten bei sieben unterschiedlichen Haushalten A-F
Entstanden im Rahmen des Projekts "Sustainable Futures" der Universität Hamburg / Hamburg Open Online University (www.hoou.de).
Tjorven Birkenbeul, Katharina Geier, Margarita Kirschmann & Martin Jann
cc-by-sa| 03-2016
In diesem Paper wird Abfalltrennung aus verschiedenen Richtungen betrachtet. Aus geowissenschaftlicher Sicht werden klimaschädliche Emissionen von Methan, Lachgas und Ammoniak bei Sortieranlagen ermittelt und die Grundlagen der Kompostierung behandelt. Aus psychologischer Sicht werden relevante Störfaktoren wie Verantwortungsdiffusion, Kognitive Dissonanz und Gewohnheiten diskutiert und es werden Möglichkeiten zur Verhaltensoptimierung in Bezug auf erfolgreiche Trennung des Abfalls erörtert, beispielsweise durch Implementation Intentions. Aus soziologischer Sicht wird der Begriff Abfall innerhalb seines Diskurses analysiert und die Nachbarschaftshilfe als Möglichkeit zur Erleichterung der Abfalltrennung und -entsorgung abgehandelt. Zuletzt wird aufgezeigt, dass man Abfall nicht nur einfach entsorgen sollte, sondern ihn einem anderen Weg zuführen kann, um zum Beispiel organische Reste als Kompost für Urban-Gardening-Projekte zu verwenden.
Abfalltrennung; Nachhaltigkeit; Recycling; Verantwortungsdiffusion; Urban Gardening
Wir beginnen mit einem Erfahrungsbericht: "Und täglich grüßt das Murmeltier. Dieser Gedanke kommt mir, wenn ich morgens meine Küche betrete, allen Müll in eine Tüte packe, um meinen -- langsam müffelnden -- Unrat später in die große schwarze Tonne zu werfen. Kurz überlege ich, ob ich nicht doch damit anfangen sollte, die Zeitung und die Weinflasche zu lagern, bis es sich lohnt, alles zu einem dieser Container zu bringen, da sind Beide auch schon in meiner Tüte verschwunden. Die Entscheidung ist gefallen. Auf dem Weg zur Arbeit komme ich an einem dieser Container vorbei. Und schon überkommt mich ein schlechtes Gefühl. Wieso hab ich das Papier und das Altglas nicht einfach sofort mitgenommen? "Ach", denke ich mir, "die eine Flasche macht den Kohl auch nicht fett" und schon verfliegt mein schlechtes Gewissen. Ich bin schließlich mit dem Rad unterwegs und fahre kein Luft verpestendes Auto. In der Mittagspause stehe ich schon wieder am Mülleimer. "Der rote Faden meines Tages", denke ich mir, als ich meinen Apfelkitschen ordnungsgemäß in die Biotonne, meinen Joghurtbecher von seinem Pappmantel befreit in den gelben Sack und den Pappmantel zur Papiersammelstelle geworfen habe. Wieder zu Hause angekommen, überlege ich mir, wieso das mit dem Mülltrennen eigentlich nicht bei mir in der Wohnung klappt, obwohl es auf der Arbeit ohne nachzudenken so selbstverständlich funktioniert. Bin ich einfach nur zu faul? Nein, ich doch nicht, ich fahre ja auch jeden Tag mit dem Rad. Ich habe wahrscheinlich einfach zu wenig Platz und habe nicht so große Mengen an Müll, außerdem trennen die Nachbarn ja auch nicht und wir haben im Haus auch eh nur ein und dieselbe Tonne. Stopp. In meinen Kopf sprudelt eine Ausrede nach der anderen hervor und wenn ich mir ernsthaft an die eigene Nase packe, dann ist keine dieser Vorwände gerechtfertigt. Es klingelt. Meine Schwester kommt mit ihrer Tochter zum Abendessen vorbei. Immer noch mit meinen Erklärungsversuchen im Hinterkopf frage ich meine kleine Nichte, was sie zum Thema Mülltrennung weiß. Sie antwortet: "Eigentlich wie Zähne putzen. Immer ein bisschen nervig, immer dasselbe, jeden Tag, kinderleicht." Anhand dieses Beispiel wird ersichtlich, dass vorhandenes Wissens über Abfalltrennung nicht immer zum besseren Handeln gereicht. Sicherlich variiert der Wissensstand innerhalb der Bevölkerung, doch es ist anzunehmen, dass aufgrund zahlreicher Aufklärungskampagnen in Schulen und im Rundfunk ein ausreichendes Wissen über das Thema vorhanden ist. Der Fokus dieses Papers liegt daher auf der Handlungsebene. In Deutschland produzierte laut der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder jede/r BürgerIn in 2013 im Schnitt 162 kg Hausmüll, davon waren 53 kg Abfälle aus der Biotonne, 24 kg Glas und 72 kg Papier und Pappe. Diese werden nach dem Grundsatz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) nach dem Grundsatz: „Vermeiden – Verwerten – Beseitigen“ behandelt. VERMEIDEN heißt in diesem Kontext, weniger Rohstoffe zu verbrauchen und die Umweltbelastung zu verringern. Beim VERWERTEN sollen Rohstoffe und Energie aus den Primärprodukten in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden und nur nicht mehr nutzbare Abfälle umweltverträglich beseitigt werden. Hierdurch will man mit einer hochwertigen und weitestgehend vollständigen Verwertung von Siedlungsabfällen Ressourcen und Klima schonen. Im Folgenden soll nun betrachtet werden, welche Probleme und Potenziale in der Abfalltrennung liegen, wie die Motivation des Einzelnen gestärkt und die Integration des Verhaltens durch ein soziales Gefüge unterstützt werden kann.
In den vergangenen Jahren ist das Gesamtabfallaufkommen in Deutschland nahezu gleichgeblieben, Mengen an getrennt gesammeltem und verwertetem Abfall haben hingegen zugenommen. Dies spricht für eine teilweise Umsetzung des Grundsatzes des BMUB. Die Müllvermeidung wird aber seit Jahren nicht ausreichend betrieben. Besonders stark zeigt es sich im Abfallaufkommen in Großstädten. In Hamburg ist beispielsweise im Jahr 2013 290 kg Haus- inkl. Sperrmüll pro Einwohner angefallen, welches den Bundesdurchschnitt in diesem Jahr um fast 100 kg übersteigt. Die Abfallvermeidung ist daher noch ein großer Baustein in der Abfallwirtschaft, der von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeistert werden muss. Bereits jetzt werden 14% der eingesetzten Rohstoffe in der Wirtschaft aus Abfall gewonnen. Dies führt zu einer Minderung der Umweltbelastung und zu geringeren Abbauraten von Rohstoffen. Dieser Anteil kann aber noch erhöht werden, denn noch immer gibt es Stadtteile in großen Städten, in denen keine Abfalltrennung stattfindet und auch der einzelne Privathaushalt kann sein Trennverhalten oft noch optimieren. Denn nur sorgfältig vorgetrennter Abfall kann zu einer effizienten Ressourcennutzung führen. Hier gilt es außerdem zu beachten, dass somit auch Treibhausgas-Emissionen reduziert werden können und so ein aktiver Beitrag jeder bzw. jedes Einzelnen zum Klimaschutz beigetragen wird. 20\% der deutschen Kyoto-Ziele werden allein durch eine moderne Kreislaufwirtschaft erzielt (Dehoust, Wiegmann, Fritsche, Stahl, Jenseit, Herold, Cames, Gebhardt, Vogt, Giegrich, 2005; Dehoust, Schüler, Vogt & Giegrich, 2010). Das heißt, dass die Rohstoffe einer Ware wieder vollständig in den Produktionskreislauf eingebracht werden. Die Abfallwirtschaft hat also ein großes Potenzial im Bereich Klimaschutz, welches mittels der Methode der Ökobilanzierung ermittelt wird. Hierbei wird die Belastung, welche die direkten Emissionen erfasst, als auch die Entlastung, die durch vermiedene Emissionen bei Schonung der Rohstoffe, und der Produktion von Sekundärprodukten entfällt, erfasst (Dehoust et al., 2005) Es ist zu beachten, dass Abfall ein multifunktionales System ist, da durch Sekundärprodukte und Energiegewinnung aus Abfall, bspw. in Biogasanlagen, ein weiterer Nutzen erfüllt wird. Die größte Gesamtreduktion lässt sich nur durch Verbrennung mit optimierten Wirkungsgraden, verbesserter Energiegewinnung durch Nutzung des gefassten Deponiegases und dem Recycling erreichen (Kauffmann, Less & Teichmann, 2012). Bei der Betrachtung der Klimawirksamkeit von Abfall ist vor allem zu erwähnen, dass Deponierung die meisten Treibhausgas-Emissionen hervorruft, was vor allem auf die Produktion von Methan, welches 20x klimawirksamer ist als Kohlendioxid, zurückzuführen. Recycling führt zur größten Entlastung, allerdings kann die Belastung durch Deponieren nicht aufgefangen werden. Bei dem derzeitigen Abfallaufkommen und dessen Entsorgung ist somit eine Treibhausgas-Belastung erkennbar (Dehoust et al., 2010). Umso wichtiger ist es qualitativ hochwertig zu recyceln. Dies betrifft besonders Kunststoffe und organisches Material. Optimierung bei der Trennung von Organik sorgt so für eine Erweiterung der Vergärungskapazitäten zur Produktion von Biogas und zur Herstellung hochwertigen Kompost, um Torf zu ersetzen. Durch die vollständigen Rohstoffkreisläufe werden Ressourcen an Rohstoffen geschont. Zusätzlich ergibt sich ein indirekter positiver Effekt durch Einsparung von Energie, Wasser und Rohstoffen, die bei Neuproduktion verbraucht worden wären. Diese Maßnahmen fördern die Nachhaltigkeit und tragen zum Klimaschutz bei. So ist beispielsweise eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen durch Recycling von Papier und Stahl um 56 % zu verzeichnen, verglichen mit neuer Produktion. Als Beispiel für einen Stoffkreislauf wird im folgenden Bioabfall betrachtet. Der in Deutschland produzierte Bioabfall wird in Kompostierung- und Vergärungs-Anlagen verwertet. Hier wird der Abfall entweder zur Energiegewinnung oder zur Herstellung von hochwertigem Kompost zur Weiterverarbeitung in der Landwirtschaft und im Gartenbau verwendet. Um die Klimawirksamkeit dieser Abfallart zu bestimmen müssen die Emissionen gemäß der Klimakonvention und dem Kyoto-Protokoll eingeschätzt werden. Kompostierung ist eine der ältesten Verfahren zur Abfallverwertung, da hierbei aus den Abfällen ein Stoff gebildet wird, der wieder zur Bodenverbesserung, also zu effektiverer Landwirtschaft genutzt werden kann, ohne neue Rohstoffe einzusetzen. Dieses Prinzip der Kreislaufführung wird in Deutschland erst seit den 50er in größerem Maßstab bzw. seit Mitte der 80er das Potenzial der Bioabfälle durch separate Sammlung flächendeckend genutzt (Kranert, 2000). Die Umwandlung der Bioabfälle kann durch folgende Gleichung beschrieben werden (Tchobanoglous, Theisen & Vigil, 1993; Zachäus, 1995):
Organische Substanzen + Sauerstoff O2 + Nährstoffe + Organismen = Biomasse + nicht abgebaute organische Substanzen + Kohlendioxid CO2, Wasser H2O, Ammoniak NH3 + Freie Reaktionsenergie
Die im Ausgangsmaterial enthaltenen Mikroorganismen und chemische Reaktionen sorgen dafür, dass im Kompost Unkrautsamen und schädliche Mikroorganismen sowie einige Chemikalien abgebaut werden. Hierbei kommt es zu einer positiven Energiebilanz. Für den Baustoffwechsel benötigen die Mikroorganismen ca. 20 % des organischen Kohlenstoffs und etwa 80 % für den Energiestoffwechsel zur chemischen Energiegewinnung. Durch diese Energieumwandlung entsteht ein Wärmeüberschuss von 33-41 kJ je g Kohlenstoff und die Temperatur im Kompost erhöht sich dementsprechend. Die Ausbildung von klimawirksamen Gasen wie Methan (CH4) und Lachgas (N2O) sowie Ammoniak (NH3) und den flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan (NMVOC) hängen vor allem vom Kohlenstoff-und Stickstoff-Gehalt im Ausgangsmaterial, vom Strukturmaterial sowie von den Prozessbedingungen ab. Von entscheidender Bedeutung ist hier, die Mehrfachnutzung der Abluftströme einer Anlage, um das energetische Potential von Biogas vollständig auszunutzen und um klimawirksame Gase wie Methan nicht der Umwelt zuzuführen. Bautechnische Vorrichtungen der Behandlungsanlagen fallen bei der Ausbildung der Treibhausgase eher weniger ins Gewicht (Cuhls, Mähl & Joachim, 2015). Das Beispiel der Bioabfälle zeigt gut das Klimapotenzial von Abfällen, aber auch, wie diese durch einen vollständigen Stoffkreislauf zum Klimaschutz beitragen können. Außerdem zeigt sich hier auch der Handlungsspielraum der Einzelperson. Diese kann durch effektives Trennen der Abfälle einen Beitrag zum nachhaltigen Klimaschutz leisten. Gerade in den Sommermonaten kommt es bei Bioabfällen oft zur Belästigung durch Geruch sowie durch Fliegen und Maden. Dieses kann verhindert werden, wenn bei der Zusammensetzung der Bioabfälle auf die Zugabe von Fleisch- und Fischresten verzichtet wird. Zusätzlicher Verzicht der Zugabe anderer Speisereste führt zu keiner weiteren Verbesserung, allerdings wird dadurch das Belästigungsproblem nur auf die Restmülltonne überlagert. Trotzdem kann dort durch entsprechende Verpackung des Abfalls die Belästigung gering gehalten werden. Solche Verpackung ist für die Biotonne problematisch, da Probleme bei der Vergärung auftreten können. Eine Eindämmung der negativen Phänomene beim Sammeln von Bioabfall lässt sich durch Einbringen von Papier erreichen, dadurch werden auch eintretende Fäulnisprozesse gehemmt. Somit kann das Auslegen des Behälters als auch das Abdecken der letzten Füllschicht mit Papier die Geruchsemission deutlich mindern. Diese Abfälle können dann sachgerecht kompostiert werden und so einen vollständigen Stoffkreislauf ergeben. Die Kompostierung kann dann nach Nutzung der Biotonne in großen Anlagen stattfinden oder bei kleineren Mengen im eigenen Garten bzw. in urbanen Gärten, welche neben den direkten und indirekten Emissionseinsparungen durch Kompostierung zu nachhaltigem Klimaschutz beitragen und der bzw. dem Einzelnen zusätzlich einen vollständigen Stoffkreislauf aufzeigen, in dem sie/er an der „Produktion“ neuer Rohstoffe (hier Obst und Gemüse) beteiligt ist. Wie lässt sich also das Verhalten der/des Einzelnen optimieren, um Abfalltrennung qualitativ zu steigern und so einen Beitrag zum Klima und Ressourcenschutz zu geben?
Was verursacht bestimmtes Verhalten? Verhalten setzt sich aus Intensität und Richtung zusammen. Diese werden durch inter- und intraindividuelle Unterschiede beeinflusst. Zur Erklärung von Verhaltensvariabilität verwenden Psychologen unter anderem das Konzept der Motivation. Es werden Antworten darauf gesucht, wie es sein kann, dass etwas einer Person an einem Tag gut gelingt und das gleiche Vorhaben am nächsten Tag scheitert. Wieso trennt man auf der Arbeit den Müll, aber am nächsten Morgen zu Hause landet die Zeitung wieder in der Tonne? Weshalb erreicht eine Person ein Ziel besser als eine andere, obwohl sie über vergleichbare Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen? Warum schafft es die Schwester im Bericht, den Müll zu Hause zu trennen, die Protagonistin aber nicht? Psychologen verwenden motivationale Erklärungen, wenn unterschiedliche Leistung weder auf zufällige Gegebenheiten noch auf Fähigkeiten, Übung, oder äußere Umstände zurückzuführen sind (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 414-451). Motivation ist die Beschreibung der Abläufe, die für die Anregung, die Richtung und die Aufrechterhaltung psychischer und physischer Aktivitäten verantwortlich sind. Motivation kann in zwei Aspekte unterteilt werden, internale und externale Vorkommnisse. Internale Vorkommnisse gliedern sich in Bedürfnisse, Gedanken und Emotionen auf. Bedürfnisse sind notwendig für Überleben, Wachsen und Gedeihen. Man räumt den Müll aus der Wohnung und sorgt dafür, dass er weit genug weg entsorgt wird, damit man sich keine Keime einfängt oder sich unangenehmen Faulgasen aussetzt. Auf den ersten Blick ist es nicht wichtig, ob man den Müll dabei fachgerecht trennt; die Hauptsache ist, er beeinträchtigt nicht mehr unmittelbar. Diese Denkweise ist allerdings zu kurzfristig. Schon im Chemie-Unterricht in der Schule wurde gelehrt, dass nichts verschwindet, es ist nur anders da. Kreisläufe sind Voraussetzung für Leben auf der Erde. Durch eine Missachtung der Trennungsvorgaben wird das Recyceln der Stoffe verhindert. Bedürfnisse bestehen sicherlich nicht nur aus biologischen Faktoren. Die Bedürfnisse kann man hierarchisch anordnen. Nach Maslow dominieren die Bedürfnisse niedriger Hierarchie-Ebenen die Motivation einer Person solange, bis sie befriedigt werden (Maslow, 1954). Wenn die Befriedigung einer Ebene erreicht ist, dann treten Bedürfnisse einer höheren Ebene in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Stufen setzen sich nach Maslow zusammen aus biologischen Bedürfnissen, Sicherheit, Bindung, Wertschätzung und Selbstverwirklichung. Man würde staunen, wie man in der heutigen Gesellschaft allein mit Abfalltrennung diese Stufen befriedigen kann. Denn Abfalltrennung kann mehr sein als einfach nur Bio zur Bio-Tonne und Plastik zum gelben Sack zu bringen. Im späteren Verlauf werden Möglichkeiten erörtert, wie in einem kleinen nachbarschaftlichen Rahmen die Abfallentsorgung organisiert werden kann, sodass der Alltag für jede/n Einzelnen erleichtert wird und dabei auch positive Nebeneffekte wie die Reduktion urbaner Anonymität auftreten. Gedanken repräsentieren mentale Ereignisse, Erwartungen, Selbstkonzepte und Überzeugungen. Mit einem Blick auf die eigene Zukunft wird bewusst, wie wichtig Recycling und die dabei unverzichtbare Eigeninitiative bei der Abfalltrennung ist. Einstellungen können auch ambivalent sein oder nur vorübergehend zum Selbstkonzept gehören. Einstellungen sind ein hypothetisches Konstrukt, welches die Bewertung von Objekten und Personen darstellt, sie können explizit oder implizit sein und äußern sich wie die Aspekte von Motivation kognitiv, affektiv und konativ. Sie sind erworben oder erlernt und unterliegen keinem Reifungsprozess. Eine Person ist der Überzeugung, dass Abfalltrennen sinnvoll ist, gleichzeitig glaubt sie aber nicht, dass der einzelne Haushalt den Kreislauf aus dem Gleichgewicht bringen kann. Nicht nur Einstellungen können gegensätzlich sein. Eigene Verhaltensweisen, welche mit der eigenen Einstellung nicht konform sind, werden als einstellungskonträres Verhalten bezeichnet. Wenn Personen sich so verhalten, dass es ihren Einstellungen widerspricht, erleben sie Dissonanz (Festinger, 1957). Der Mensch hat das Bedürfnis sich als vernünftig zu betrachten. Handelt er unvernünftig, so wird ein Gefühl des Unbehagens hervorgerufen. Dieses, durch begangene Handlungen hervorgerufene Gefühl, welches dem vernünftigen Selbstkonzept zuwider läuft, wird als kognitive Dissonanz bezeichnet. Es wird bei dieser Konsistenztheorie angenommen, dass es sich bei Dissonanz um einen aversiven motivationalen Zustand handelt, der Menschen dazu anregt ihn zu reduzieren (Stroebe, 2014, S. 231-268). Konsistenztheorien beschäftigen sich mit Zusammenhängen der Stimmigkeit zwischen Kognitionen und den Auswirkungen von Dissonanzen auf das Verhalten, die Motivation und die Einstellung. Der Mensch strebt also nach Konsonanz. Dies kann durch Einstellungsänderung, Verhaltensänderung, Rechtfertigungen oder das Meiden dissonanter Informationen erfolgen. Da es sich bei Abfalltrennung um eine gering emotionale Einstellung handelt und man rational Abfalltrennung als sinnvoll erachtet, ist es schwierig, seine Einstellung dies bezüglich zu ändern, ohne weitere Unvereinbarkeiten im Selbstbild hervorzurufen. Leichter fällt es hingegen, wenn man sein Verhalten rechtfertigt, indem man Kognitionen hinzufügt. Man sammelt kein Papier zur späteren Trennung, da die Wohnung dafür zu klein ist. Man bringt das Glas nicht weg, da Einzelfälle nicht so hoch ins Gewicht fallen. Das Problem hier ist, dass diese Rechtfertigungen nach und nach an Stärke verlieren und immer aktiv aufrechterhalten werden müssen. Der Möglichkeit dissonante Reize zu meiden, können sowohl die Stadt als auch die individuelle Kraft entgegen wirken. Durch Werbeplakate, Aufkleber und vorbildliche Verhaltensweisen erfolgt eine Konfrontation mit dem Thema. Immer wieder muss in Schulen, KITAS und anderen Bildungseinrichtungen für dieses Thema sensibilisiert werden. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Abfalltrennung und die Vergegenwärtigung der Problematik sind erste Schritte zur Verhaltensänderung. Deshalb ist es wichtig, dass in Institutionen regelmäßig und frühzeitig Achtsamkeit geschult wird – wie z.B. im Gemeinschaftsprojekt der Abfallwirtschaft Region Hannover und des städtischen Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün. Hier wurde den Kindern gezeigt, dass der Umgang mit Abfall auch Spaß machen kann. Langfristig gesehen ist eine Verhaltensänderung in Bezug auf Abfalltrennung die wünschenswerteste Lösung. Eine Bedingung für eine Verhaltensänderung ist, dass die Person die Ausführung des Verhaltens als viel weniger unangenehm empfindet, als erwartet. Wie in der Szene anfangs beschrieben, ist Abfalltrennung für die bzw. den einen mit Aufwand assoziiert, für die bzw. den anderen ist es Routine wie das Zähneputzen. Es gibt Belege dafür, dass ein Verhalten zur Gewohnheit wird, wenn es wiederholt und in Kontexten erfolgt, die relativ stabil sind (Ouellette & Wood, 1998). Gewohnheiten sind erlernte Verhaltensweisen, die auf bestimmte Hinweisreize folgend automatisch ablaufen und ein Ziel verfolgen. Um die Trennung von Abfall zu einem automatisierten Verhalten zu formen, ist es wichtig, dass Ausnahmen verbannt werden, denn sonst erschafft man Nischen. Einmal ist Keinmal. Ein Glas im gelben Sack macht noch keine Umweltkatastrophe. Konsequenz ist das Schlüsselwort. Visualisierungen und strukturierte Sammelsysteme erinnern immer wieder an die Aufgabe, die man an sich selbst gestellt hat. Als Selbstregulationsstrategie bieten sich Implementation Intentions an, die in Form von Wenn-dann-Plänen (wenn Situation X auftritt, dann werde ich zielgerichtet Verhalten Y ausführen) zu einer einfacheren Zielerreichung führen können. Wenn-dann-Pläne aktivieren kritische Situationen. Die Erinnerungsleistung an das Ziel steigt, die Aufmerksamkeit wird gelenkt und die Entdeckungsleistung wächst. Des Weiteren wird die Handlungseinleitung automatisiert, indem eine sofortige Reaktion auf den kritischen Stimulus erfolgt. Somit steigt die Effizienz der gewohnheitsmäßigen Reaktion auf die kritische Situation (Gollwitzer, 1999). Wenn man einen Apfel gegessen hat, wirft man ihn sofort in die Biotonne. Wenn man morgens seine Arbeitstasche packt, nimmt man immer das Altglas mit und wirft es in den Container. Um Ziele langfristig zu verfolgen und Widerständen zu trotzen, gilt zu beachten, dass sie einen hohen, aber nicht überfordernden Schwierigkeitsgrad haben. Um ein sortiertes Müllsystem in den eigenen vier Wänden zu haben, ist kein Abitur notwendig, dennoch muss man sich mit der Materie befasst haben. Vielen ist nicht bewusst, wie viele Möglichkeiten die Stadtkultur bietet, um die Müllverwertung effektiv voranzutreiben. Zu einem späteren Zeitpunkt wird genauer über private Sammelstellen und innovative Stadtgartenkulturen informiert. Wichtig ist außerdem, dass das Ziel akzeptiert ist. Je mehr Akzeptanz desto höher ist die Eigenverpflichtung, das Ziel zu erreichen. Sich selbst für die Einhaltung zu belohnen, kann motivierend wirken. Ist die Belohnung für die Tätigkeit aber zu hoch, kann es dazu kommen, dass sie zu einer äußeren Rechtfertigung für das Handeln wird. Man also extrinsisch motiviert wird und nicht mehr intrinsisch handelt. Dann tritt der Korrumpierungseffekt auf (Bem, 1967). Dieser bezeichnet die Verdrängung von intrinsischer Motivation durch extrinsische Motivation. Fällt der Belohnungsreiz weg, reduziert sich auch das ursprünglich freiwillige, von innen angespornte Verhalten. Ein/e Nachbarin, die bzw. der nicht den Müll trennt, verleitet dazu, dies selbst ebenfalls nicht zu tun. Ein Motivationsverlust entsteht, wenn erwartet wird, dass Andere die eigenen Bemühungen durch ihr Faulenzen mindern. Pluralistische Ignoranz kann entstehen und nach dem Schneeballsystem würde irgendwann niemand mehr den Müll trennen, wenn nicht einzelne Personen die Initiative ergreifen und als Vorbild dienen. Viele denken, dass sie als Einzelperson wenig bewirken können. Später wird versucht, diese Hypothese zu widerlegen. Doch sicher ist, dass eine Person die Umweltsituation verschlechtern kann. Je größer die Gruppe, die ihren Müll nicht trennt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass jemand die Verantwortung übernimmt und handelt. Es kommt zu Verantwortungsdiffusion. Man ignoriert wichtige Fakten und ein Mangel an Besorgnis entsteht, da der Anschein aufkommt, niemand anderes sei über die Folgen beunruhigt. Doch wenn man jetzt überlegt, wie man sich fühlen würde, wenn man eine/n Nachbarin bzw. Nachbarn sieht, die bzw. der täglich penibel seinen Abfall trennt. Wirft man dann in dessen Beisein die Zeitung zum Plastikmüll? Wenn man selbst diese/r vorbildliche Nachbar/in wäre, würde man einerseits Energie sparen, um Dissonanzen zu beseitigen. Man würde andere implizit auffordern und mit dem Thema Mülltrennung konfrontieren und dabei womöglich bei ihnen als Katalysator zur Verhaltensänderung dienen. Wenn man kleine Motivationsanstöße bietet und ein wenig Selbstdisziplin durchsetzt, kann man einfacher zu einer nachhaltigen Lebensweise beitragen und dabei vielleicht auch gesünder, bewusster und sozial eingebunden existieren. Um zu einer nachhaltigen Welt beizutragen, muss man nicht Merkel, Einstein, Jolie, oder Copperfield heißen. Nachhaltigkeit fängt damit an, sich bewusst zu machen, dass jede/r Einzelne seinen Beitrag dazu leisten kann sich bewusst zu machen, dass jeder noch so kleine Beitrag viel wert ist. Der Grundstein der Wiederverwertung wird im Haushalt gesetzt, darüber hinaus gibt es ein weites Feld der Möglichkeiten, seine individuelle "`Müllbilanz"' zu optimieren und gleichzeitig sein Umfeld besser kennenzulernen.
Aus soziologischer Sicht ist das Thema "Abfall" und "Mülltrennung" ein weites Feld, welchem man sich durch unterschiedliche Herangehensweisen nähern kann. Die Erörterung dessen würde den Rahmen bei weitem sprengen, sodass im Folgenden nur grob umrissen werden soll, dass "Müll" nicht an sich bereits "Müll" ist, sondern auch durch soziale Faktoren konstruiert wird. Das impliziert, dass die Kategorie "Müll" Variabilität beinhaltet und prinzipiell veränderbar ist. In "Die Theorie des Abfalls", erschienen 1981, beschreibt Michael Thompson besonders anschaulich, dass Menschen Objekten verschiedene Werte zuordnen. Er beschreibt, dass es eine dreifache Unterteilung der Gegenstände in "wertvolle, wertlose und negativ bewertete" gibt (Thompson, 1981, S. 15), die vor allem davon abhängt, ob wir die Gegenstände als vergänglich, wie etwa ein Taschentuch oder dauerhaft, wie eine Schmuckvase, betrachten (Thompson, 1981, S. 21). Der Umgang mit den Gegenständen hängt mit dieser Bewertung zusammen. Abfall beschreibt Thompson als nicht bloß wertlose, sondern gar negativ betrachtete Gegenstände, die man loszuwerden versucht. Er zeigt aber auch auf, dass sich die Betrachtung eines Gegenstandes, also die Wertzuschreibung, wandeln kann. Die Bewertung eines Gegenstandes als Müll ist nichts Absolutes und kann Veränderungen unterliegen. In diesem Zusammenhang lassen sich auf einer höheren Ebene empirische Unterschiede in öffentlichen Diskussionen und in dem Umgang mit Abfall in Ländern nachweisen, wie es etwa Reiner Keller in seinem Band "Müll - Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen: Die öffentliche Diskussion über Abfall in Deutschland und Frankreich" 2009 tut. Er beschreibt, dass diese Verschiedenheiten "[...]" am ehesten durch Wissens-, Definitions- bzw. Diskursverhältnisse erklärt werden k[önnen]" (Keller, 2009, S. 19). Auch hier ist die These: Müll ist das, was wir als Müll betrachten, und damit gekoppelt ist unser abfallbezogenes Verhalten. Keller verweist mit den Worten "Grenzverschiebungen im Bereich dessen, was als Abfall zu gelten hat" (Keller, 2009, S. 21) auf die Veränderbarkeit der Betrachtung von Müll. Seit langer Zeit nimmt die Relevanz des Themas zu, denn unsere Gesellschaft, oftmals als "Konsumgesellschaft" betitelt, erzeugt immer größere Mengen an Abfall. Die Größe der damit verbundenen Probleme wächst mit. Wir haben bereits versucht, einige der Problemkonstellationen zu beleuchten. Doch nun noch mal ganz zurück zum Anfang -- zu unseren Überlegungen zu uns selbst, in die klein scheinende Dimension unseres privaten Haushalts, die doch so viel bewirken kann. Das Thema der Abfalltrennung erscheint als ein alltägliches Problem. Gerade im großstädtischen Raum gibt es einen hohen Anteil an kleinen Haushalten, knapp die Hälfte der Haushalte Hamburgs sind Single-Haushalte (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, 2015) und auch sonst lässt sich die durchschnittliche Personenzahl von 1,8 pro Haushalt als niedrig ausmachen. Wie in er Kurzgeschichte sind vielleicht viele solcher Haushalte gerade wegen ihrer geringen Größe verführt, ihren Abfall nicht zu trennen. Der Vorteil, allen anfallenden Müll regelkonform zu trennen, scheint gering im Verhältnis zum recht großen Aufwand, dem er entgegensteht. Auch aufgrund eigener Erfahrung wollen wir das am Beispiel von Glas und Papier beispielhaft betrachten: Innerhalb von zwei Wochen in einer Singlewohnung haben sich 4 bis 5 Glasflaschen und -gefäßen sowie ein kleiner Stapel von ausgelesenen Magazinen, Zeitungen und Werbeblättern und alten Schmierpapieren gesammelt. Dafür hat das Haus keine Tonnen. Die Papier- und Glascontainer befinden sich aber 12 Minuten zu Fuß entfernt. Angesichts der Unlust, wegen der geringen Menge, die nicht mal einen halben gelben Sack füllt, scheint es nur allzu verlockend, die Teile im Restmüll verschwinden zu lassen. Die psychologischen Aspekte dazu wurden zu Beginn des Papers beleuchtet. Spielen wir die Szene vom Singlehaushalt weiter. Die Wohnung ist Teil eines viergeschossigen Hauses mit sieben weiteren Haushalten ähnlicher Größe und mit ähnlichen Abfallmengen. Wäre also summiert in nur zwei Wochen schon eine ziemlich große Menge von 32 bis 40 Glasabfällen und einem hohen Stapel Altpapier. Bei der Größenordnung wäre die Motivation, den Abfall im Wertstoffkreislauf zu erhalten, entsprechend auch größer, sodass auch der Weg von 12 Minuten nicht mehr als zu lang betrachtet wird. Wir argumentieren dafür, dass es gerade in diesem nachbarschaftlichen Rahmen ein großes Potential für Lösungsansätze gibt. Unsere Idee dazu ist die Aufgabenbewältigung von Glas- und Papierentsorgung in einem nachbarschaftlichen Kontext. Die Idee der Nachbarschaftshilfe kommt nicht von irgendwo: Sozialwissenschaftlich wird das Thema "Nachbarschaft", das in der Vergangenheit angesichts des starken Fokus auf Globalisierungs- und Individualisierungsprozesse tendenziell wenig Beachtung fand, neuerlich wieder ins Blickfeld gerückt. Gerade auch in sozialpolitischen Zusammenhängen "erfährt das Thema Nachbarschaft aktuell eine Hochkonjunktur in städtischen Leitpapieren und kommunalen Initiativen" bezogen auf "verschiedenste soziale Probleme" auch angesichts des demografischen Wandels und Verringerungen sozialstaatlicher Leistungen (Reutlinger, Stiehler & Lingg, 2015, S. 14). Im konkreten Fall der Müllentsorgung könnte das so aussehen, dass die Haushalte gemeinsame Sammelkisten einführen und im Wechsel jeweils ein Haushalt den Müll von einer oder zwei Wochen entsorgt. Die Kisten könnten vielleicht im gemeinsamen Hausflur stehen, bei Platzmangel würde man die Kisten am Vorabend des Entsorgungstages für alle aufstellen. Klappkisten würden sich bei geringen Raumkapazitäten anbieten. Die genaue Gestaltung der Entsorgung kann nach Bedarf abgesprochen und in der Gemeinschaft organisiert werden. Die Vorteile eines solchen Systems sind, dass die Organisation keine aufwändige Planung oder teure Ressourcen benötigt und dass der einzelne nur alle paar Wochen mit dem Wegbringen beauftragt ist und seinen Müll nicht wochenlang in der Wohnung sammelt oder oft zum Container muss. Orientiert an den Werten der vom Bundesumweltamt veröffentlichten Broschüre "Nachrichten aus der Tonne" aus 2014 (Böger & Saghri, 2014) haben wir die ungefähre Abfallmenge errechnet, die sich in einer Woche aus acht Singlehaushalten ergibt. Ein Plan für die Entsorgung könnte wie folgt aussehen:
Der Plan verteilt die Entsorgung von Altpapier, Bioabfällen und Glas wöchentlich für acht Einzelhaushalte beispielhaft für neun Kalenderwochen. Jeweils drei Haushalte entsorgen den Abfall in einer Woche. Der Aufwand für den einzelnen beträgt eine Entsorgung alle drei Wochen, von derselben Abfallkategorie sogar nur alle acht Wochen. Altglas und Papier werden dabei im Wechsel entsorgt, damit keine ungleichen Belastungen entstehen, da sich Menge und Form des Abfalls unterscheiden. Je nach Bedarf lässt sich der Plan anpassen. Würde Altglas und Papier je Woche von einem Haushalt entsorgt, da die Sammelstellen oft zusammen sind, fiele der Aufwand auf eine Entsorgung alle vier Wochen pro Haushalt. Dieses Konzept schon die einzelnen Ressourcen. Außerdem wird oft der soziale Aspekt bei Nachbarschaftshilfe genannt, dem "positive[n] Erleben von Gemeinschaft ([…] durch "menschliche Wärme")" (ebd.). Auch wir assoziieren damit einen gewissen Grad der Vergemeinschaftung, einem menschlichen Bedürfnis, der die Anonymität im urbanen Zusammenleben verringert. In Anbetracht der demografischen Entwicklung und "Überalterung" der Bevölkerung könnte man auch den Abfall von Personen, die körperlich nicht (mehr) in der Lage sind, schwer und weit zu tragen, mitnehmen, auch wenn sich die betreffenden Personen nicht an der Entsorgung beteiligen (können).
Nachdem nun die verschiedenen Problematiken im Zusammenhang mit Abfalltrennung diskutiert und Lösungsmöglichkeiten für diese erörtert wurden, gehen wir der Frage nach, was nach der Abfalltrennung passiert und für welche Sorten von Abfall welche Wege möglich sind. Generell steht die Wieder-/Weiterverarbeitung von Material im Fokus, da sie bei knappen Ressourcen und Umweltbelastungen durch Erstproduktionen eine Umwelt und Ressourcen schonende Rolle spielt. Tatsächlich muss zunächst aber sicher gestellt sein, dass der Müll auch wirklich sauber getrennt wurde und im Ernstfall muss eine weitere Trennung mechanisch erfolgen. Entsprechend sind Sortieranlagen aus Gründen der staatlichen Müllverwertung vorhanden, damit eine enorme Masse an Müll effizient und schnell getrennt wird und biologische Trennungen durchgeführt werden können, die durch Privatpersonen nicht so einfach realisierbar wären. Einige der getrennten Abfallsorten werden dann als Wertstoffe heraussortiert, gesammelt und im besten Fall direkt weiterverarbeitet. Auch dienen die Sortieranalagen als Ort für eine Überprüfung der Zusammensetzung des Mülls. So untersuchte das Bayrische Landesamt für Umweltschutz den Restmüll aus 15 bayrischen Gebietskörperschaften und fand, dass organisches Material 20 Massenprozent des Abfalls ausmacht. Wobei 90% dieses organischen Abfalls Küchenabfälle sind (Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, 2003). Des Weiteren zeigte sich, dass das Wertstoffpotenzial (Wertstoffe im Restmüll sind Behälterglas, Kunststoffverpackungen, Kartonagen, Pappe, Papier und Organik) etwa 55 kg pro Einwohner und Jahr beträgt. Zu berücksichtigen sind jedoch die Verschmutzungen des Materials, im schlimmsten Fall durch Plastikfasern in der Organik, da deren Entfernung Aufwand bedeutet und nicht immer ohne Rest abläuft, wodurch es Zeit braucht, das Wertstoffpotenzial auszunutzen. Insgesamt gibt es jedoch stets Optimierungsvorgänge bezüglich der Sortieranlagen und der dahinter stehenden Technik. Nach diesem Einblick in die öffentliche Müllverwertung stellt sich die Frage, was man als Privatperson noch tun kann, wenn die Sortieranlage doch bereits effizient und exakt trennt. Es sei gesagt, dass das Trennen und das Reinigen der Wertstoffe durch eine Anlage nicht gerade Ressourcen schonend ist. Wenn alles an Abfall vorher vermengt wird, so dauern Trennung und Reinigung länger und Verschmutzungen sind durch die Vermengung vorprogrammiert, wobei sich auch einige Schadstoffe im Restmüll befinden können. Des Weiteren kann es so zu einem Bystander-Effekt kommen (Latané & Darley, 1970). Dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligten an der Produktion des Mülls die Verantwortung für die Folgen des Abfalls von sich weisen und letztlich nichts unternehmen, um die Verschmutzung durch ungetrennten Müll und die hohe Abfallmenge zu verhindern, da sie sich vollends auf die Sortieranlage verlassen. Zuletzt entfremden sich die Menschen von der Müllverwertung, der Müll verschwindet für sie in der Tonne. Neben der simplen Reduktion des eigenen Mülls durch achtsames und überlegtes Einkaufen lassen sich hier alternative Methoden zur Wiederverwertung nennen.
Ein Beispiel ist die Verwertung organischen Materials als Kompost und die Nutzung des Kompostmaterials als Dünger für Urban-Gardening-Projekte. Hier wird, getreu des Namens, innerhalb der Stadt Gartenbau betrieben, was von der Gestaltung her variabel auftreten kann, so beispielsweise innerhalb alternativer ökologischer Szenen, als Projekt für Senioren oder Ideen vom vertikalen Anbau, was die Nutzung der städtischen Dächer und Balkone einschließt. Tatsächlich ist die Idee aber nicht neu, Hausgärten und Schrebergärten gibt es seit je her in der Stadt und ob der Ertrag städtischer Gärten für eine Eigenversorgung mit Nahrung je ausreichen kann, bleibt fraglich (Exner & Schützenberger, 2014), ist doch die erzeugte Menge klein. Trotzdem gibt es Untersuchungen, die nahelegen, dass sich gemeinschaftliches Gärtnern positiv auf berichtete Gesundheit und das Sozialleben auswirken (Armstrong, 2000; Wakefield, Yeudall,Taron, Reynolds & Skinner, 2007) und es eine Möglichkeit für realitätsnahe Pädagogik bietet (Fusco, 2001). Durch den Einblick in die Projekte können Personen den Kreislauf organischen Materials nachvollziehen und erhalten als Ertrag bspw. frische Nahrung oder Blumen. Dies muss nicht ökonomisch relevant sein, um einen Beitrag zu umweltbewusstem Leben zu leisten und das Stadtbild zu verschönern. Auch sind dadurch organische Materialien direkt verwertet, ohne erst durch die Sortieranlagen laufen zu müssen. Ein Kritikpunkt ist jedoch die geringe Anzahl an Studien zu "Urban Gardening", hier besteht Aufholbedarf.
Als weiteres Beispiel sei die Stoffklasse Papier. Hier gibt es bereits gute Bilanzen. Laut Erhebungen des Umweltbundesamtes belief sich die Altpapierrücklaufquote im Jahr 2014 auf 74 Prozent. Es ist ein deutlicher Anstieg dieses Anteils zu sehen, belief sich die Quote im Jahr 1990 doch nur auf 44 Prozent (Umweltbundesamt, 2015). Diese Quote wird über private und öffentliche Entsorger erreicht. Neben der Förderung des Sammelns von Altpapier, wie bei der Aktion "Berlin such den Supersammler" der Kühl-Unternehmens-gruppe, an der zahlreiche Kindergärten und Schulen teilnahmen und dem bewussten Kaufen von recyceltem Papier empfiehlt sich auch die direkte Weiterverarbeitung im Kunst- und Bastelunterricht an Schulen oder in Ateliers und Werkstätten, da so die Ressourcen-Kosten für das industrielle Recycling nicht direkt entstehen und die Dauer der Nutzung vor dem erneuten Recycling erhöht wird. Auch das Sammeln von Kopierbelegen oder Fehlkopien zur Nutzung als Notizzettel verzögert die industrielle Aufbereitung und sorgt für die effektive Nutzbarkeit der Ressource. Im individuellen Bereich kann eine Strategie zum platzsparenden Schreiben auf Blättern benutzt werden. Allerdings bleibt bei solchen Ansätzen die Frage der Durchhaltefähigkeit offen. Die beiden Beispiele zeigen gut, wie es neben der öffentlichen Entsorgung auch andere geeignete Möglichkeiten gibt, bestimmte "Abfall"-Sorten nach der Trennung zu nutzen. Auch wenn zunächst nur kleine Gruppen dies praktizieren werden und dadurch keine sofortigen signifikanten Verbesserungen auftreten, so wirkt es sich auf Einstellungen und Vernetzungen aus. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Menschen angeregt werden, auch über kleine Unterschiede nachzudenken.
Das tägliche Problem der Abfalltrennung kann aus vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Es ist anzumerken, dass hier nicht alle Aspekte der Abfalltrennung betrachtet wurden und auch die aus den jeweiligen Fachgebieten aufgegriffen Themen keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Allerdings sollte hier ein Überblick über mögliche Aspekte eines alltäglichen Themas gegeben werden und die Möglichkeiten, der Verhaltensoptimierung des Einzelnen aufgezeigt werden. Auf den ersten Blick hat Mülltrennung immer einen positiven Effekt auf das Klima. So wurde aber aufgezeigt, dass es während des Produktkreislauf auch zu unerwünschten Emissionen von beispielsweise Methan und anderen Schadstoffen in Luft und Umwelt kommen kann. Hierbei gilt zu beachten, dass durch qualitativ hochwertiges Vortrennen, die Abfallverwertung klimaeffizient gestaltet werden kann. Als Beispiel für einen Stoffkreislauf wurden Bioabfälle genauer behandelt. Hierbei besteht ein großer Nutzen in stofflicher und energetischer Umwandlung, die vornehmlich in großen Anlagen stattfindet. Aber an diesem Beispiel lässt sich auch der Handlungsspielraum des Einzelnen aufweisen, der hier die Möglichkeit hat durch Bioabfallumwandlung im kleinen Rahmen, beispielsweise in einem Urban Garden Projekt, einen vollständigen Stoffkreislauf zu vollziehen, in dem er den Kompost aus Bioabfällen als Bodenverbesserungsmittel wieder einsetzt und daraus neue Rohstoffe entstehen lässt. Um solches nachhaltiges Verhalten zu schulen, wird aus psychologischer Sicht das Konzept der Motivation herangezogen. Dies ist die Beschreibung der Abläufe, die für die Anregung, Richtung, und Aufrechterhaltung von Aktivitäten wichtig ist. Tritt einstellungsfremdes Verhalten auf, verspürt die handelnde Person Dissonanz. Deshalb ist es wichtig, für ein Thema früh zu sensibilisieren und Personen anfangs mit geringer Intensität immer wieder mit dem Thema zu konfrontieren. Besonders erfolgreich werden neue Verhaltensmuster integriert, wenn das neue Verhalten weniger unangenehm ist, als erwartet, und eine Routine geschaffen wird. Diese Prinzipien lassen sich im Bereich der Mülltrennung auch in kleinen sozialen Gefügen wie einem Mehr-Familien-Haus realisieren. Hier ist beispielhaft durchdacht worden, wie eine derartige Nachbarschaftshilfe zur gemeinschaftlichen, effektiven Mülltrennung aussehen kann. Dieses einfache System erfordert keine große Planung und schont die einzelnen Ressourcen, wobei zusätzlich das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird. Die Verbindung der effektiven Abfalltrennung in kleinem Rahmen mit verschiedenen Projekten zur Abfallverwertung wie Urban Gardening vollzieht so einen vollständigen Stoffkreislauf, den jede/r Einzelne nachvollziehen und einen Nutzen daraus ziehen kann. So wird im Anfangsbeispiel die Frage nach der eigenen Rolle im Abfalltrennsystem beantwortet.
Armstrong, D. (2000). A survey of community gardens in upstate New York: Implications for health promotion and community development. Health & Place, 6(4), 319-327.
Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2003). Zusammensetzung und Schadstoffgehalt von Siedlungsabfällen. Abschlussbericht, Augsburg.
Bem, D. J. (1967). Self-perception. An alternative interpretation of cognitive dissonance phenomena. Psychological Review, 74, 536 – 537.
Cuhls, C., Mähl, B. & Joachim, C. (2015). Ermittlung der Emissionssituation bei der Verwertung von Bioabfällen. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.
Dehoust, G., Wiegmann, K., Fritsche, U., Stahl, H., Jenseit, W., Herold, A., . . . Giegrich, J. (2005). Statusbericht zum Beitrag der Abfallwirtschaft zum Klimaschutz und mögliche Potentiale. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.
Dehoust, G., Schüler, D., Vogt, R., & Giegrich, J. (2010). Klimaschutzpotenziale der Abfallwirtschaft: Am Beispiel von Siedlungsabfällen und Altholz. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.
Exner, A., & Schützenberger, I. (2014). Urbane Gärten – Ein Schritt zur Ernährungssouveränität? Verfügbar unter: http://www.social-innovation.org/?p=5104
Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press.
Fusco, D. (2001). Creating relevant science through urban planning and gardening. Journal of Research in Science Teaching, 38(8), 860-877.
Gerrig, R. J., & Zimbardo, P. G. (2008). Motivation. In Gerrig, R. J., & Zimbardo, P. G. (Hrsg.), Psychologie (18. Aufl., S. 414-451). München: Pearson Studium.
Gollwitzer, P. M. (1999). Implementation intentions: Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54(7), 493-503.
Kauffmann, C., Less, C. T., & Teichmann, D. (2012). Corporate greenhouse gas emission reporting.
Keller, R. (2009). Müll – Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen: Öffentliche Diskussionen über Hausmüll in Deutschland und Frankreich. Wiesbaden: VS Verlag. (Original 1998)
Kranert, M. (2000). Grundlagen der Kompostierung. In W. Bidlingmaier (Hrsg.), Biologische Abfallverwertung (S. 37-56). Stuttgart: Eugen Ulmer Verlag.
Latané, B., & Darley, J. M. (1970). The unresponsive bystander: Why doesn’t he help? New York, NY: Appleton-Century Crofts.
Maslow, A. H. (1954). Motivation and personality. New York, NY: Harper.
Ouellette, J. A., & Wood, W. (1998). Habit and intention in every-day life: The multiple processes by which past behavior predicts future behavior. Psychological Bulletin, 124, 54-74.
Reutlinger, C. (2015). Die Nachbarschaft soll es richten – Allgegenwärtigkeit eines Konzepts. In Reutlinger, C., Stiehler, S., & Lingg, E. (Hrsg.) Soziale Nachbarschaften (S. 11-21). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein. (2015). Statistik informiert. (Nr. 46). Verfügbar unter: http://www.statistik-nord.de/daten/haushalte-und-familien/dokumentenansicht/mikrozensus-in-hamburg-1/
Stroebe, W. (2014). Strategien zur Einstellungs- und Verhaltensänderung. In K. Jonas, W. Stroebe, & M. Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (6. Aufl., S. 231-268). Berlin: Springer Verlag.
Tchobanoglous, G., Theisen, H., & Vigil, S. (1993). Integrated solid waste management: Engineering principles and management issues. New York, NY: McGraw-Hill.
Thompson, M. (1981). Die Theorie des Abfalls: Über die Schaffung und Vernichtung von Werten. Stuttgart: Klett-Cotta.
Umweltbundesamt (2014). Nachrichten aus der Tonne: Leo und Polly Pop auf den Spuren des Abfalls. Verfügbar unter: http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/nachrichten-aus-der-tonne
Umweltbundesamt. (2015). Altpapier. Verfügbar unter: http://www.umweltbundesamt.de/daten/abfall-kreislaufwirtschaft/entsorgung-verwertung-ausgewaehlter-abfallarten/altpapier
Wakefield, S., Yeudall, F., Taron, C., Reynolds, J., & Skinner, A. (2007). Growing urban health: Community gardening in South-East Toronto. Health Promotion International, 22(2), 92-101.
Zachäus, D. (1995). Grundlagen der Vergärung. In K. Thomé-Kozmiensky (Hrsg.), Biologische Abfallbehandlung. Berlin: EF-Verlag für Energie und Umwelttechnik.